Die integrierte Versorgung im Gesundheitswesen ist landesweit ein wichtiges Thema. Stationäre und ambulante Leistungserbringer arbeiten nach diesem Versorgungsmodell Hand in Hand zusammen. Wie das EPD in der ambulanten Versorgung einen Nutzen bringen kann, erläutert Pia Fankhauser am Beispiel der Physiotherapie. Sie ist Physiotherapeutin und war langjähriges Mitglied des Zentralvorstandes von Physioswiss.
Dieser Artikel bildet den Abschluss einer Serie, die den Nutzen des EPD für Gesundheitsfachpersonen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Frau Fankhauser, was konkret bringt Ihnen als Physiotherapeutin das EPD?
Pia Fankhauser: Ich schildere Ihnen dazu gerne einen aktuellen Fall. Ein Herzpatient ist soeben zu mir in Therapie gekommen, drei Wochen nach seinem Austritt. Ich habe keine Informationen zum Ereignis, wann es geschah und welche Therapie er bereits hatte. Jetzt muss ich alles mühsam abfragen. Hätte ich Zugang zu den Unterlagen, wäre mir dies alles erspart.
Nehmen wir an, Sie hätten Einblick in die Unterlagen via EPD gehabt. Welches wäre der Nutzen?
Ich würde sofort sehen: Was wurde schon unternommen? Welche Medikamente nimmt der Patient? Gibt es für die Therapie relevante Befunde? Es wäre schon so viel effizienter, über diese Informationen zu verfügen. Gerade bei Geriatriepatienten ist es schwierig, an die wichtigen Informationen zu kommen. Es würde meine Arbeit enorm erleichtern, wenn ich diese Infos schon vor der Therapie hätte, dann könnte ich gleich in der ersten Therapiestunde starten. So verliere ich beim ersten Termin Zeit damit, den Patienten zu fragen, welche Medikamente er nimmt und vieles mehr..
«Patienten haben ein Recht auf eine wirksame und zweckmässige Therapie»
Sie sprechen einen wesentlichen Punkt der integrierten Versorgung an. Das EPD könnte hier also einen Anschub leisten?
Auch weiteren Leistungserbringern würde es nützen, wenn sie Zugang hätten zu den Unterlagen, die ich erstelle. Ich schreibe Berichte zuhanden der Ärzte. Aber mit der Spitex bin ich nicht vernetzt. Sie sehen «per Zufall», dass der Patient bei mir in Therapie war. Das kann unter Umständen grosse Auswirkungen haben. Entweder führt es zu Doppelspurigkeiten oder zu Missverständnissen, wenn der Patient beispielsweise nach einer Physiotherapie über Muskelbeschwerden klagt.
Und der Nutzen für das Spital?
Manchmal kommt es vor, dass ein Patient zurück ins Spital muss. Auch hier wäre es nützlich, wenn man direkt Zugriff auf die Physiounterlagen hätte. Wir haben durch den Kontakt mit den Patienten ganz spezifisches Wissen. Momentan ist der Patient der einzige Wissensträger: Er weiss als Einziger, wo er behandelt wurde, hat aber kein Wissen über Laborberichte und ähnliches. Der Austausch zwischen dem Spital und den ambulanten Versorgern ist zentral. Hier geht es um Medizin, nicht um Ökonomie.
«Momentan ist der Patient der einzige Wissensträger»
Was braucht es aus Ihrer Sicht noch, damit sich das EPD bei ambulanten Versorgern etabliert?
Viele sind guten Willens, oft scheitert es jedoch an der praktischen Umsetzung. Die Distanz zu IT-Systemen ist erstaunlich gross. Es steht und fällt mit der Finanzierbarkeit der Systeme und mit der technischen und administrativen Unterstützung. Hier würde ein Anschub einiges erleichtern.
Welche Tipps möchten Sie Physiotherapeuten und Gesundheitsfachpersonen mit auf den Weg geben?
Das EPD kommt sowieso. Man sollte sich deshalb damit auseinandersetzen. Es kann auch sein, dass der Patient fragt, ob man am EPD angeschlossen ist. Was, wenn man antworten muss, dass man nicht angeschlossen ist? Das muss man sich bewusst vor Augen halten! Patienten haben das Recht auf eine wirksame und zweckmässige Therapie. Und sie werden zunehmend kompetenter. Mein Tipp deshalb an alle: Seid alle auch Arzt! Wir müssen alle etwas voneinander wissen. Es macht deshalb Sinn, dass sich auch Physiotherapeutinnen ans EPD anschliessen, wie die Gesundheitsfachpersonen im Spital. Ich hoffe, dass alle Berufsgruppen so agieren.
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