«Das EPD würde sich gut eignen, um mehr zum Thema Interprofessionalität zu lernen.»

Headerbild: Spitex mit Tablet

Spitex Schweiz hat vor Kurzem einen «Leitfaden zur Einführung des EPD in Spitexorganisationen» veröffentlicht. Interview mit Esther Bättig, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Spitex Schweiz, zu den Motivationsgründen und zum Nutzen des EPD für die Spitex.

 

Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die den Nutzen des EPD für Gesundheitsfachpersonen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

 

Esther Bättig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Spitex Schweiz

Frau Bättig, der Leitfaden schildert in verständlicher Sprache viele Situationen aus dem Alltag der Spitex und welche Rolle das EPD dabei spielt. Was war Ihr Beweggrund für die Broschüre?

Esther Bättig: Der Leitfaden wurde ursprünglich von Curaviva herausgegeben und uns dann zur Verfügung gestellt. Wir unterstützen die Idee, mit diesem Leitfaden unsere Kantonalverbände zu motivieren, um mit den Stammgemeinschaften in ihrem Kanton Kontakt aufzunehmen, obwohl die Einführung des EPD für die Spitex ja noch freiwillig ist.

 

Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit der Einführung des EPD?

Wir hoffen, schnell Zugang zu den relevanten Dokumenten zu erhalten. Wir benötigen zeitnah Informationen, um die Pflege eines Patienten zum Beispiel nach einem Spitalaufenthalt nahtlos zu starten und weiterzuführen. Das ist mit dem EPD möglich, aber auch mit B2B-Lösungen. Wichtig ist, dass die behandlungsrelevanten Dokumente ins EPD abgelegt werden. Dazu zählen neben dem Austrittsbericht auch die Pflegedokumentation. Für uns ist es sehr wichtig, dass die Kommunikation zwischen den Leistungserbringern in der ambulanten Gesundheitsversorgung funktioniert.

 

Wie sieht die Realität denn heute aus?

Einzelne Spitexorganisationen haben eine gute Zusammenarbeit mit den Spitälern. Der Patient bringt die Unterlagen mit, wenn er nach Hause geht. Leider geht der Austrittsbericht jedoch oft nur zum Hausarzt. Die nahtlose Pflege ist dadurch unterbrochen, zum Beispiel betrifft dies die Medikamentenabgabe. Wir benötigen Auskunft darüber, wie die Situation des Patienten im Spital war. Wir müssen dann im Spital die richtige Person finden, die Auskunft geben kann.

 

«Die Idee, digital vernetzt zu sein, ist ein grosses Bedürfnis bei der Spitex.»

 

Welchen Nutzen ergibt sich für die Spitex konkret mit dem EPD?

Wir erhalten sofort Zugang zu den behandlungsrelevanten Dokumenten. Für eine optimale Nachversorgung und eine gute Pflegequalität ist dies wesentlich. Wenn alle involvierten Leistungsversorger Zugang haben, ist das auch im Notfall von Vorteil. Ein Beispiel: Der Hausarzt und alle involvierten Fachärzte haben oft keine Einsicht in eine Gesamtliste der Medikamente. Die Spitex ist dann die einzige Leistungserbringerin, die mit einer Medikationsliste die Gesamtübersicht hat. Im Notfall ruft das Spital die Spitex an und fragt nach den aktuellen Medikamenten. Mit dem EPD würde sich diese Anfrage erübrigen und die benötigten Informationen könnten von allen involvierten Leistungserbringern direkt bezogen werden. Oft weisen wir den Patienten auch in ein Pflegeheim ein, oder wir werden informiert, dass der Patient eingewiesen wurde. Für die Heime wäre der Zugang zu aktualisierten Daten im EPD ebenfalls ein wesentlicher Vorteil. Das ermöglicht eine schnellere Kommunikation.

 

Mit dem Leitfaden tragen Sie aktiv dazu bei, das EPD auch in den Spitexorganisationen zu lancieren. Wie stehen denn die Spitexmitarbeitenden dem EPD gegenüber?

In der Spitex sind sehr viele schon digital unterwegs, mit Papier arbeitet nur noch ein kleiner Teil. Mit dem EPD begehen wir Neuland. Es ist ein weiterer Schritt, den wir alle miteinander gehen müssen. Die Idee, digital vernetzt zu sein, ist ein grosses Bedürfnis bei der Spitex. Das Interesse ist da!

 

«Wenn es heisst, der administrative Aufwand habe zugenommen, erinnere ich an früher.»

 

Sie verfügen über eine langjährige Berufserfahrung in der Pflege. Nun wird das EPD eingeführt. Was geht Ihnen persönlich durch den Kopf?

Vor 30 Jahren war dies mein Wunschtraum: Ich möchte beim Klienten zeitnah die wichtigsten Informationen haben. Mit den digitalen Pflegedokumentationen und dem heutigen Netz ist dies Realität! Wenn es heute heisst, der administrative Aufwand habe zugenommen, erinnere ich oft an früher. Wir mussten die Pflegedokumentation auf Papier für jeden Patienten regelmässig mit neuen Blättern ergänzen und dabei alle Stammdaten immer wieder neu eintragen, was auch zeitraubend war. Das vergisst man schnell! Heute wird diese Arbeit direkt am Laptop/Tablet oder PC erledigt, die Informationen müssen nur einmal erfasst und können gezielt weitergegeben werden. Es ist eine andere Art von Arbeit, es sind andere Prozesse. Das EPD ist ein erster Schritt, auch ausserhalb der eigenen Organisation einen gewissen Informationsfluss zu ermöglichen.

 

Welche Tipps möchten Sie den Gesundheitsfachpersonen in der Spitex mit auf den Weg geben, welche sich mit der Einführung des EPD befassen?

Wichtig ist, dass die Gesundheitsfachpersonen von Anfang an involviert sind, damit sie sagen können, was sie im EPD brauchen. Oft befasst sich nur die IT damit. Der Leitfaden gibt Tipps, wie die Einführung des EPD gut klappt. Und auch grundsätzlich braucht es noch einen Wissenszuwachs. Mich dünkt immer, das EPD würde sich gut eignen, um mehr zum Thema Interprofessionalität zu lernen.

 

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