Die Pandemie stellte uns vor noch nie dagewesene Herausforderungen, die in jeder Branche ihre Spuren hinterliessen. Wie tief diese im Bereich der Pflege, Unterstützung und Integration von Menschen mit Behinderungen sind und welche Chancen daraus entstehen können erklärt mir Peter Saxenhofer, Geschäftsführer von INSOS Schweiz und Mitglied der HIN Community.
Janine: Die Pandemie stellte die Branche vor immense Herausforderungen. Wo zeigen sich diese bei der Unterstützung und Integration von Menschen mit Behinderung besonders?Peter Saxenhofer: Eine der grössten Herausforderungen war und ist der Spagat zwischen individuellen Freiheits- und Grundrechten (wie z.B. das Recht auf Selbstbestimmung) und dem kollektiven Schutz. Im Grundsatz wollen und müssen wir mit geeigneten Schutzkonzepten insbesondere die besonders gefährdeten Personengruppen vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen. Dabei sollen aber diese Massnahmen verhältnismässig und auch nachvollziehbar sein. Gerade für Menschen mit kognitiven oder auch psychischen Beeinträchtigungen braucht es eine gute und angepasste Kommunikation, damit notwendige bzw. behördlich verordnete Massnahmen auch verstanden werden. Generelle Schliessungen von Institutionen oder Besuchsverbote ohne Alterativangebote sind keine brauchbaren Optionen und können, wie wir aus der ersten Welle wissen, zu sozialer Isolation führen.
Peter Saxenhofer ist seit 2012 Geschäftsführer von INSOS Schweiz, dem nationalen Branchenverband der Dienstleistungsanbieter für Menschen mit Behinderung
Corona brachte Massnahmen wie Kontaktreduktion, Distanzhalten, Fernunterricht etc. mit sich. Sind nach dem vergangenen Jahr die Inklusionsbemühungen in der Schweiz noch auf Kurs?Die Corona-bedingt notwendigen und sehr einschränkenden Massnahmen waren insbesondere in Bezug auf die Inklusionsbemühungen nicht förderlich. Vor allem auch die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in verschiedenen Branchen machen uns grosse Sorgen. Die berufliche Integration steht hier vor grossen Herausforderungen. Unsere Arbeiten in Bezug auf unseren Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention haben eine gewisse Verzögerung erfahren. Geplante Aktivitäten konnten wir infolge der einschränkenden Weisungen bei Veranstaltungen nicht wie geplant durchführen. Sobald möglich werden wir hier die vorgesehenen Aktivitäten wieder hochfahren.Sehen Sie in der Krise auch Chancen, die sich auftun?Krisen können durchaus Chancen mit sich bringen – wichtig ist, dass man sie dann auch nutzt. So werden beispielsweise die verstärkt genutzten virtuellen Austauschmöglichkeiten (Fernunterricht, Video-Konferenzen etc.) auch nach der Bewältigung der Corona-Krise weiter eingesetzt. Oder Informationen werden z.B. in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt. Das ermöglicht vielen Menschen mit einer Beeinträchtigung, sich besser und umfassender zu informieren und sich stärker einzubringen.
Was wünschen Sie sich für 2021?Die rasche Bewältigung der Pandemie steht im Vordergrund. In der Folge geht es um die Normalisierung des sozialen Zusammenlebens in unserer Gesellschaft und die Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Stabilität. Dabei dürfen die Ziele für eine verstärkte Teilhabe von Menschen mit Unterstützungsbedarf in der Normgesellschaft nicht vergessen gehen.Wir wollten unseren Kunden dieses Jahr etwas mit auf die Reise ins 2021 geben, das positive Spuren hinterlässt. Spuren von Hoffnung und der Zuversicht, dass wir die Herausforderungen des verganenen Jahres zum Besseren wenden können. Deshalb wurden im Namen der HIN Community Spenden an drei Organisationen getätigt. Eine der Drei geht an Coronavirus Schweiz der Glückskette. Mit den Spendengeldern unterstützen sie betagte Menschen und Menschen mit Behinderungen, die zur Risikogruppe gehören und jetzt isoliert leben müssen genauso wie Familien, die an Armut leiden und obdachlose Personen.